JANUAR 2011


Wünsche zum neuen Jahr:

Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit.
Ein bisschen mehr Güte und weniger Neid.
Ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass.
Ein bisschen mehr Wahrheit - das wäre was.

Statt so viel Unrast ein bisschen mehr Ruh.
Statt immer nur Ich ein bisschen mehr Du.
Statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut.
Und Kraft zum Handeln - das wäre gut.

In Trübsal und Dunkel ein bisschen mehr Licht.
Kein quälend Verlangen, ein bisschen Verzicht.
Und viel mehr Blumen, solange es geht.
Nicht erst an Gräbern - da blühn sie zu spät.

Ziel sei der Friede des Herzens.
Besseres weiß ich nicht.

Peter Rosegger (1843-1918)



Woche vom 24. -  30.01.2011 + 31.01.2011
 
Wolfgang hat gleich zu Beginn der Woche einen Vorstellungstermin beim Orthopäden in Neugersdorf wegen seines Knies. Der Arzt untersucht das Knie gründlich und kann feststellen, dass alles i. O. ist trotz der beiden Stürze. Wolfgang ist sehr froh darüber und vor allen Dingen auch beruhigt, ich natürlich auch.
Wie wir von Rüdiger wissen, ist er mit seinen Kommilitonen am Montag in Mainz beim ZDF zum Casting, nicht für ein konkretes Projekt, sondern um in die Kartei aufgenommen zu werden. Ansonsten arbeitet er im Endspurt an seiner Bachelorarbeit, die er in einer Woche abgeben muss. Damit sind dann 8 Semester Schaulspielstudium abgeschlossen. Ab März wird er Mitglied des Staatstheaters Oldenburg in Festanstellung. Sehr schön für uns alle, wir freuen uns für Rüdiger.
Der Donnerstag ist ziemlich turbulent, denn einige Dienstleister bevölkern unsere Räume. Ein Mitarbeiter von Cordamed Heidenau fliegt ein, um die beiden Beatmungsgeräte routinemäßig zu warten, d.h. auf Herz und Nieren zu überprüfen. Nach 3,5 h gibt er grünes Licht und alles ist wieder voll funktionsfähig. Parallel dazu überprüft ein Heizungsmonteur unsere Heizungsanlage im Haus, was jährlich einmal durchgeführt wird. Zum Glück ist hier alles in Ordnung und kein Austausch von irgendwelchen Teilen notwendig. Nach soviel Wartungsarbeiten ist es an der Zeit, mich zu duschen - ach, tut das gut!
Aufgrund des sonnigen Wetters unternehmen Wolfgang mit Biene, Markus und ich am Samstag einen ausgiebigen Spaziergang durch Eichgraben. Leider ist der Schnee auf den Gehwegen nicht sehr fest getreten, sodass Markus ganz schön Kraft braucht, um mich vorwärts zu bewegen.
Auch am Sonntag sind wir unterwegs. Wir treffen uns mit Gundel und Peter in der Moccabar in Zittau und schlemmen genüsslich. Anschließend gehts noch einmal durch die Innenstadt, wobei Cindy positiv überrascht über einige einladende Geschäfte ist. Abends telefonieren wir mit Andreas, der uns berichtet, dass er am Nachmittag mit Luis vergeblich bei uns vor der Tür stand - na, prima..., die Überraschung ist gelungen!?! Schade! Andreas war mit der Familie kurzfristig zu einem Geburtstag nach Zittau gekommen. Moritz hat die erste Woche Kita - Eingewöhnung hinter sich und es lief recht problemlos - schön!
Heute, Montag hat der Stadtchor Jahreshauptversammlung und Wolfgang nimmt teil und vertritt mich mit. Ich habe einen kleinen Diskussionsbeitrag vorbereitet mit einer Überraschung in "süßer Ausführung". Wolfgang wird diesen vorlesen und die süßen Sachen übergeben. Bin gespannt, wie's ankommt. Als Wolfgang gegen 21.45 Uhr nach Hause kommt, berichtet er mir gleich von der Zusammenkunft und bringt mir von allen Grüße und gute Wünsche mit. Meine Gedanken, die ich aufgeschrieben hatte, sind positiv aufgenommen worden und die Merci  Schokolade
dankend angenommen. Meinen Text findet ihr im Gästebuch des Stadtchors unter www.stadtchor-zittau.de.


Woche vom 17. - 23.01.2011

Die Woche fängt für mich mit einer schönen Überraschung an. Die DGM (Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke hatte aufgerufen, für einen Fotokalender 2012 persönliche Bilder einzureichen. Ich schickte drei verschiedene hin. Nun erhielt ich Bescheid, dass die Jury eins meiner Fotos für den Kalender 2012 ausgewählt hat. Das finde ich klasse, freue mich sehr! Hier ist das hübsche Bildchen unter dem Motto " Gemeinsame Mahlzeit mit Frauchen und Biene".


Yvette ist wieder gesund und tritt frisch und munter bei mir montags zum Dienst an. Beim gemeinsamen Frühstück gibt es allerhand zu beschnattern u.a. von den Weihnachtsfeiertagen.
Am Dienstag unternehmen Yvette, Anja, Biene und ich einen ausgiebigen Spaziergang entlang Eichgrabens befestigten Wegen, da wir ansonsten für den Rollstuhl eine Abrollstrecke brauchen würden. Biene saust was das Zeug hält und fühlt sich so richtig wohl. Ich bin dick eingemummelt und friere nicht, sondern genieße den Ausflug.
Wolfgang und ich freuen uns über einen Anruf aus Österreich. Peter R., ein guter Bekannter aus den 90er Jahren, meldet seit langer Zeit wieder.
Donnerstag werde ich von Kopf bis Fuß gepflegt: Duschen, Haare waschen und frisieren und zum krönenden Abschluss werden mein Zehennägel von der Podologin fein gemacht. Abends erwartet uns ein mittelgroßes Dilemma, bei meiner Klingelkonstruktion - Marke Rüdiger Hauffe, ist ein Draht abgebrochen und nichts ist mit Klingeln! Guter Rat teuer - wie mache ich mich nachts bemerkbar? Da bleibt nur mein Schnalzen ins "Geliphon" (Babyphon), in der Hoffnung, dass es der Nachtdienst hört. Aber ich habe Glück, Wolfgang gelingt es, den Draht an zu löten, was eine ziemliche Bimselei ist.
Zum Freitag steht eine Weltreise an!?! Nachmittags nach Indien und abends auf die Malediven. Ist besonders reizvoll, da es uns keinen Cent kostet. Bärbel und Albrecht B. besuchen uns und geben uns per digitalen Fotos einen Einblick von ihren Erlebnissen auf der Indienreise. Ein sehr beeindruckendes Land voller Gegensätze zwischen arm und reich. Die Schönheit der Malediven bringt uns abends das ARD - Fernsehprogramm nahe.
Das Wochenende bot nichts besonderes. Die einzige Abwechslung war die Übertragung des Skiweltcups von Zakopane. Wolfgang und ich haben alle drei Wettbewerbe mit großem Interesse verfolgt. Besonders freuten wir uns, dass die deutschen Adler gute Leistungen zeigten. Beim Sturz von Adam Malysz sind wir auch ganz schön erschrocken, aber erfreulich, dass sein Landmann Kamil Stoch das Springen an diesem Tag gewann. Es ist unglaublich, wieviele tausend Polen bei Wind und Wetter mit riesen Begeisterung sich an der Schanze versammeln.


Woche vom 10. - 16.01.2011

Am Montag heisst es zeitig munter werden, damit wir bis um 8.00 Uhr startklar für den Krankentransport sind. Sebastian beginnt mich um 5.30 Uhr zu waschen usw. und wir schaffen es gerade so mit allem incl. Frühstück fertig zu werden. Gegen 10.30 Uhr trudelt der Krankentransport mit Wolfgang und mir auf Station CO in Coswig ein. Die Fahrt verlief für mich reibungslos ohne Absaugen, obwohl ich durch die schlechten Straßen auf der Trage mächtig durchgeschüttelt wurde. Im Krankenhaus wurde ich sehr herzlich aufgenommen, da mich die meisten Schwestern und Pfleger kennen. Dieses Mal ist das 2. Bett im Zimmer leer, was mir nicht unrecht ist. Wolfgang ist tagsüber bei mir und reicht mir auch das Essen. Nachts schläft er im Gästehaus, welches sich auf dem Klinikgelände befindet. Welche Untersuchungen werden routinemäßig bei mir vorgenommen? EKG, Thorax-Röntgen (beides im Bett mit mobilen Geräten), Blutuntersuchung, Überwachung der Blutgaswerte, des Blutdrucks und der Herzfrequenz, nachts die Überwachung der Beatmungswerte, die Untersuchung durch den Arzt und ein aufklärendes Gespräch von der Logopädin. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen. Das Resultat von allem ist i.O. Meine Parameter am Atemgerät können belassen werden, ich benötige auch keine zusätzlichen Medikamente und die nächste Kontrolle ist im August. Ein paar Bemerkungen noch zur Blutabnahme: Freigiebig bin ich seit der Krankheit nicht mehr, ich mache es den Ärzten und Schwestern nicht leicht. Dieses Mal versuchten zunächst 2 Schwestern die rote Flüssigkeit aus meinem linken Handrücken zu saugen, aber aussichtslos! Mit der Bemerkung: "Dass muss die Ärztin machen" gaben sie auf. Eine Zeit später, erschien eine junge Assistenzärztin mit slawischem Dialekt, um ihr Glück zu machen. Zwei Versuche wagte sie in der Armbeuge und im rechten Handrücken, doch vergebens. Auch sie verwies auf einen ihrer Kollegen! Lustig bei ihr war, dass sie äußerlich und in ihrer Art und Weise total unser Schwiegertochter Corina ähnelt. Der dritte Versuch von einem weiteren Assistenzarzt klappte. Er zapfte meinen inneren linken Unterarm an und bekam, was er wollte. Es geht doch!!! Auch wenn mein Blutdruck nur bei 80/55 lag.
Die Nacht kann ich so halbwegs schlafen, worüber ich sehr froh bin. Dass das dicke Ende noch aussteht, davon ahne ich noch nichts... Gewaschen werde ich von 2 Hospitanten bzw. Praktikanten mit denen ich viel Spaß habe. Sie arbeiten in Zwickau bei einem Intensivpflegedienst und absolvieren z. Zt. einen Lehrgang zur Heimbeatmung. Dabei waren sie u.a. 4 Tage in Kreischa bei beatmeten Patienten und jetzt 4 Tage auf der Beatmungsstation in Coswig. Diese Form der Weiterbildung bzw. Vertiefung der Kenntnisse in der Heimbeatmung finde ich nachahmenswert. Als mir im Anschluss Wolfgang das Frühstück reichen will, bekomme ich starke Kopfschmerzen und kaum Luft. Ich werde mehrfach sowohl vom Personal als auch von Wolfgang abgesaugt, aber das Sekret bekommt keiner richtig heraus. Ich fühle mich schrecklich und habe Angst, dass ich nicht nach Hause darf. Zwischendurch füllt sich das Zimmer mit den Teilnehmern der Chefvisite, 10 oder mehr weiße Kittel erkundigen sich nach meinem Befinden, was ich natürlich mit gut beantworte, denn ich will ja unbedingt nach Hause. Gegen 12 Uhr werden wir vom Krankentransport abgeholt. Mein Zustand ist unverändert und Wolfgang gibt sich alle Mühe, mir durch Absaugen zu helfen. Aber es funktionierte auch nicht richtig. Für mich war es furchtbar beängstigtend, kaum Luft zu bekommen und für Wolfgang noch schlimmer, weil er hilflos mir gegenüber saß. Endlich zu Hause angekommen, nahm sich Cindy meiner an und durch mehrfaches Absaugen und den Einsatz des Hustenassistenten bekam ich mein Atemvolumen zurück. Oh, war das ein beglückendes Gefühl! Aber ich war fix und fertig und habe erst einmal 3 Stunden tief und fest geschlafen. Danach ging es mir wieder gut und ich war heilfroh, wieder im eigenen Bett zu liegen.
Als Wolfgang und ich noch etwas Fernsehen schauen, geht plötzlich der Strom weg - na, prima! Zum Glück lässt sich eine Sicherung wieder umstellen und es ward Licht. Jedoch unser Fernseher hat den Geist aufgegeben - auch das noch! Der am nächsten Tag herbei gerufene Monteur wechselt das Netzteil und schon ist der Schaden behoben. Dabei ist besonders erfreulich, dass die Reparatur noch als Garantielleistung abgerechnet wird.
Sebastian informiert uns, dass er am Montag noch bemerkte, dass in unserem Hauswirtschaftsraum Wasser aus der Heizungsanlage tropfte und sich schon über den Fußboden breit gemacht hatte. Inzwischen hat sich das Ganze wieder beruhigt und der Mitarbeiter von der Heizungsfirma konnte auch nichts finden.
Donnerstag stand bei mir duschen auf dem Plan und Cindy hat mir meine "Krallen" gekürzt.
Die Woche endet mit einem wunderschönen Sonntag. Die Sonne strahlt vom Himmel und wir nutzen das freundliche Wetter, fahren in die Stadt und bummeln hier über das denkmalgeschützte Pflaster, wo sich mein Rollstuhl in einen Rüttelapparat verwandelt - sehr abwechslungsreich für Kopf bis zu den Füßen... Als ich durchgefroren bin freue ich mich, dass wir in der Mocca-Bar Platz am vorhinein reservierten Tisch finden. Wir laben uns auf verschiedene Weise: Cindy mit einem Eisbecher, Wolfgang mit einem Bauernfrühstück, ich mit einer Kinderportion Spagetti mit Käse und Tomatensoße, die so groß ist, dass Cindy mit essen muss. Am bescheidensten ist Biene mit etwas Wasser und natürlich paar Leckerli von Herrchens Teller. Es schmeckt und gefällt uns sehr gut hier. Wir staunen, wie viele Leute sich in der Mocca-Bar einfinden. Es ist kein freier Tisch zu finden.

Woche vom 03. - 09.01.2011

Nun zieht der Alltag wieder ein. Bei mir bedeutet das Montag, Mittwoch, Freitag Physiotherapie und Dienstag, Donnerstag Ergotherapie. Sonnabend und Sonntag habe ich wie früher im Arbeitsprozess frei... Nach dem täglichen gemeinsamen Frühstück schnuppere ich vor der Haustür noch etwas frische Winterluft, wenn nicht der böhmische Wind zu stark weht, wie z.B. am Donnerstag.
Den Hohneujahrtag nutzen wir, die Weihnachtssachen wieder zu verstauen und den Weihnachtsbaum abzuschmücken. Angelika nimmt sich anschließend gleich den unten liegenden Nadeln und dem Schmutz an. Ich selbst bin am aller fleißigsten, nämlich mit dem Mundwerk! Ja, einer muss schließlich, die Fäden zusammen halten... Der Hausarzt schaut wie geplant am Freitag nach mir. Wie bislang ist er und natürlich ich sehr zufrieden mit meinem Befinden. Der Blutdruck liegt bei 105/65 - für mich perfekt!
Das Wochenende verläuft ruhig und ich bereite mich mental auf den morgigen Aufenthalt in Fachkrankenhaus Coswig vor, wo ich aller halben Jahre einen Tag und eine Nacht zur Kontrolle hin muss. Markus wäscht mir dafür extra noch die Haare, damit ich salonfähig bin. Biene geht für 3 Tage zu Ingrid und Günter, den Pflegeeltern. Die Mietzen bleiben zu Hause und unsere Nachbarn füttern sie.


01. - 02. 01.2011

Neujahr - kaum zu glauben, wie die Jahre davon fliegen. Ich selbst habe die ALS das 8. Jahr "am Halse", d.h. die durchschnittliche Lebenszeit von 3 - 5 Jahren nach Ausbruch der Krankheit liegt schon hinter mir und so wie ich mich geistig und auch körperlich fühle, möchte ich schon noch ein paar Jährchen mit von der Partie sein und meinen Senf dazu geben können. Ich schaue positiv nach vorn und orientiere mich an dem englischen Astrophysiker Stephen Hawking, der nun bereits 47 Jahre mit dieser Krankheit lebt und seit 26 Jahren invasiv (Luftröhrenschnitt) beatmet wird.
Den Neujahrstag verbrachten wir ganz in Ruhe, wickelten ein paar Telefonate ab, um Verwandten und Freunden ein "Gesundes Neues" zu wünschen. Ich fühle mich endlich wieder gut, die Appetitlosigkeit und Müdigkeit der vergangenen Tage habe ich überwunden.