AUGUST 2014

"Wenn die Jammerer die Zeit, die sie verwenden um den Zustand zu beschreiben,
dafür verwenden würden, den Zustand zu ändern, wäre das Ergebnis unglaublich!"


01. - 31. 08. 2014

Gleich am Monatsbeginn fährt Wolfgang nach Dresden, um unsere Enkelin zu "begutachten". Opa ist begeistert von der knuffigen, süßen Motte, die er auf dem Arm hatte. Nele hat das wenig beeindruckt, sie hat geschlafen und ihren stolzen Großvater keines Blickes gewürdigt. Ja, so sind sie, die "jungen Damen"!
Mir selbst ging es die Woche nicht so richtig gut. Einerseits kommt mein Körper mit dem wechselhaften Wetter nicht besonders gut klar und andererseits waren die letzten Tage recht nervig für mich und Stress ist pures Gift bei ALS. Manchmal summieren sich eben mehrere Dinge, was ich dann nicht mehr allein kompensieren kann. Aber mein Team reagierte angemessen und tat alles, damit ich mich wieder wohl und sicher fühle, deshalb Dank an Claudia, Elias und insbesondere an Melanie und natürlich an meinen Mann.
Jetzt muss ich mal eine Episode von Facebook hier zum besten geben, weil man die kontroversen Diskussionen verschiedensten Themen findet egal ob Fußball-WM, MC Donalds Eröffnung in Zittau oder eben über ALS. Eine ALS-Patientin schreibt:
"Warum fällt es (meinen) Angehörigen so verdammt schwer rücksicht auf mich zu nehmen und sich den veränderungen anzupassen die entstehen wenn man mit dieser krankheit zu tun hat? ich muss da auch durch und ich bin betroffen! Ich hab noch nicht mal eine wahl...."
Über 20 Kommentare folgen, die meisten beinhalten Gejammere und Resignation! Deshalb fühlte ich mich veranlasst, mein Meinung dazu kundzutun.
"Also liebe Leute, vielleicht schocke ich jetzt einige mit meiner Auffassung, aber ich lebe seit 11 Jahren mit ALS, bin inzwischen komplett gelähmt, werde invasiv beatmet und durch eine PEG ernährt und 24 h intensiv gepflegt. Meine Familie unterstützt mich, wo sie nur kann und mein Freundes- und Bekanntenkreis ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Bei mir ist das Glas immer halb voll und ich genieße jeden Tag. - Wir ALS-ler sind nicht der Nabel der Welt und sollten uns versuchen zu integrieren und nicht abzuschotten. Alles beruht auf Gegenseitigkeit und nicht auf einseitigen Forderungen durch uns selbst. Aus vielen Kommentaren lese ich den typisch deutschen Pessimismus heraus, warum frage ich mich??? Freut euch doch darüber, was ihr noch könnt!!! Als nur tagtäglich darauf zu warten, was schlechter werden könnte. Jede ALS verläuft unterschiedlich! Zur Erleichterung des Sprechens bzw. Verstehens gibt es Sprachcomputer, die wie in meinem Fall mit den Augen bedient werden. Bei entsprechender Antragsstellung trägt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten. Dieser augengesteuerte Computer ist meine Verbindung zur Außenwelt und ich möchte ihn nicht mehr missen. ich kann meine HP www.angelikahauffe.de selbst bearbeiten, im Internet surfen, Mails schreiben und mittels einer installierten Umfeldsteuerung Radio und TV selbst bedienen sowie die Zimmerbeleuchtung an- und ausschalten. Zum Schluss noch ein paar Bemerkungen zu 1 zu 1 Pflege: Die ersten 5 Jahre hat mich meine Mann aufopferungsvoll allein gepflegt bis ich beatmet wurde. Ab diesem Zeitpunkt haben wir uns auf Empfehlung der Fachklinik Coswig für die ZGD Dresden zur Intensivpflege entschieden. Dieser arbeitet nun schon das 6. Jahr bei uns und es gab noch nie größere Probleme. Natürlich ist die Arbeitskräftefluktuation auch an mir nicht vorbei gegangen, aber die Dienste wurden immer abgesichert. Heute besteht mein Team aus 5 jungen examinierten Pflegerinnen und Pflegern, die im 3-Schichtsystem bei uns arbeiten. Wobei ich mir auf die Fahne hefte, damit 5 Arbeitsplätze in unserer Region, Oberlausitz zu sichern und das ist doch bei allem "Scheiß" mit der Krankheit etwas Positives!"
Uns geht es diese Woche sehr gut, denn Rüdiger ist da.. Das ist richtig schön, ihn seit langem wieder mal eine Woche hier zu haben. Ich glaube am meisten freut sich Fine, weil er mit ihr täglich lange Spaziergänge macht und das Weib ist nicht tot zu kriegen... Dazu haben wir jetzt jeden Tag  Besuch gehabt, meist mit Kleinkind, was ja total Fines Welt ist. Wyatt (3 Jahre) von Madlen spielt stundenlang im Garten mit Fine Ball. Gestern war Claudia mit Clemens und Vanessa (2 Jahre) da, sie brachten uns Tomaten aus ihrem Garten, die Claudia bei uns gleich noch zu Salat gemacht hat. Vanessa ist zwar Fine gegenüber noch etwas ängstlich, aber beim Ballspielen zugucken ist fantastisch. Heute bringt Melanie ihren Jakob und Hanna (1Jahr) mit, damit Rüdiger Jakob in den Aufbau des PC's in der Stube einweisen kann. Denn am Montag wird neuer wischfester Belag ins Wohnzimmer gelegt und Jakob hilft anschließend beim einräumen. Die kleine Hanna hat überhaupt keine Angst vor Fine, als sie letztens hier war, hat sie Fine ihren Zwieback vor die Nase gehalten und Fine hat gleich mal die Hälfte abgebissen und zu unserer Verwunderung auch gefressen. 
Hier dient Fine mir als "orthopädisches Hilfsmittel" zur Spitzfußprophylaxe.




Am Mittwoch hat, Wolfgang M. mit bei uns gefrühstückt, auch das war eine lustige Runde. Dabei wurden diverse Nahaufnahmen geschossen von mir, die ich alle so schrecklich finde, weil mein Gesicht wie ein unförmig aufgegangenes Hefekloß aussieht, furchtbar! Das einzig Gelungene begrüßt euch jetzt auf dieser Seite.
Meine beiden Männer waren in Liberec und schwärmen von der neuen Trasse (R 35), die von Hradek direkt nach Liberec verläuft (Fahrzeit unter 20 min). Am Samstagabend wollen sie sich auf der Waldbühne Jonsdorf "Karasek" ansehen, zumal wenigstens noch 2 Darsteller mitspielen, mit denen Rüdiger schon in Zittau gespielt hat. Ich sitze vormittags meist über eine Stunde im Rollstuhl und genieße die gemeinsame Zeit beim Frühstück. Am Sonntagabend ist nun Rüdiger in seine neue Heimat nach Mainz gestartet, wo in einer Woche die Spielzeit 2014/15 am dortigen Staatstheater beginnt. Den Sonntag haben wir uns noch sehr schön gestaltet. Spontan habe ich mich vormittags entschieden, einen kleinen Ausflug per Auto machen zu wollen. So fuhr Rüdiger mit mir und Elias auf's Krematorium zum Grab meiner Eltern. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal dort war, aber 1,5 Jahre sind es bestimmt her. Es hat alles prima geklappt, sogar ohne abgesaugt werden zu müssen. Für mich bedeutet das einen großen Schritt nach vorn und die nötige Sicherheit wieder gefunden zu haben {#emotions_dlg.smile}. Nachmittags genossen Rüdiger und ich die CD der Zittauer Vocalisten und schwelgten in Erinnerungen. Während der ganzen Zeit lag Fine mit dem Kopf auf Rüdigers Bein und wollte sichtlich zum Ausdruck bringen, dass Rüdiger doch noch da bleiben solle - richtig süß!
Am Montag erhält unser Wohnzimmer neuen Fußbodenbelag. Wir haben uns nach 19 Jahren Textilbelag nun für wischfesten mit Parkettmuster entschieden. Sieht richtig gut aus und die Stube wirkt heller und größer, letzteres wäre bei ohnehin 30 m² nicht zwingend nötig gewesen, ist jedoch toll. Die Tage darauf ist mein Mann emsig wie Ameisen, um das 200 l Aquarium wieder einzurichten. Die Aquaristik ist eins seiner Hobbys und ich freue mich über das Gewusel der neuen Fische. Im "Aquariumkindergarten" schwimmen jetzt vorwiegend Salmler und Barben und ein roter Kampffisch. Bisher hatten wir meist Buntbarsche und Fadenfische. Für mich ein Grund mehr so oft wie möglich in meinen Rolls Royce davor zu stehen. 
Der August klingt aus mit einem Besuch von Heidi W. aus dem Chor.